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Presse
 

Welt am Sonntag 03.10.10

Hausbesuch für Patienten, die nicht mehr richtig ticken

Von Cord C. Troebst

Der Service ist einzigartig: "Uhr kaputt? Komme ins Haus!", verspricht Birgit Schwarz. Die Frau ist Uhrmacherin in der dritten Generation. Und sie ist es mit Leidenschaft. "Wenn eine Uhr nicht geht, lässt mir das so lange keine Ruhe, bis ich sie wieder in Ordnung gebracht habe", sagt sie. Ihr Dienstleistungsangebot in der Hansestadt: eine mobile Uhrenreparatur.

Birgit Schwarz, 45, ist in Rostock aufgewachsen. "Mein Großvater war Uhrmacher, meine Mutter ist Uhrmachermeisterin. Sie hatten ein Uhren- und Schmuckgeschäft, so dass ich gewissermaßen zwischen Uhren lebte." Als Kind, so erinnert sie sich, schlief sie manchmal auf dem Sofa in der Werkstatt ihres Großvaters, umgeben von lauter tickenden Uhren. "Wenn die um Mitternacht alle zu schlagen anfingen, wachte ich davon auf und hörte ihnen zu." Tagsüber beobachtete sie ihren Großvater bei der Arbeit am Werktisch. Dabei machte sie eine faszinierende Beobachtung. "Er war über 70 und kam mir als kleinem Kind uralt vor. Seine Hände zitterten, als habe er Parkinson. Aber kaum nahm er ein Uhrenteil in die Hand, hörte das Zittern auf - bis die Reparatur beendet war."

Vielleicht waren es diese Erlebnisse, die sie darin bestärkten, die Familientradition hochzuhalten und Uhrmacher zu lernen - im Dienstleistungskombinat Rostock. Die wichtigste Erkenntnis danach: "Man lernt, wie die Kraft in einer Uhr übertragen wird. Mit dieser Erfahrung kann man jede Uhr reparieren, weil man genau weiß: Dieses Rad muss so und so stehen und nicht anders, denn anders funktioniert es nicht", sagt Schwarz. Mehr noch: "Ein guter Uhrmacher kann sowohl einen Küchenwecker reparieren als auch eine Kirchturmuhr."

Tatsächlich hat sie im Rahmen ihrer Ausbildung mit Kollegen auch einmal eine Kirchturmuhr in Pirna repariert. "Das war vor allem körperlich schwierig", erinnert sie sich. "Die schweren Zahnräder mussten ausgebaut und in die Werkstatt geschafft werden."

Nach der Ausbildung ging die angehende Uhrmacherin in das berühmte, 1893 gegründete Werk Glashütte in Dresden und arbeitete dort in der Produktion. Doch der Traum, sich als Uhrmacherin selbstständig zu machen, blieb in der DDR damals unerfüllbar. "Ich hätte warten müssen, bis meine Eltern ihr Geschäft abgeben würden. Dann hätte ich es übernehmen können." Hinzu kam, weder sie noch ihre Eltern waren politisch aktiv. Ein weiterer Grund dafür, dass der Staat ihre Pläne ablehnend bewertete. "Am Ende war alles so ein schwerer Weg, dass ich es sein gelassen habe."

Statt sich selbstständig zu machen, studierte Schwarz danach Theologie. Doch der Traum von einer eigenen Uhrenwerkstatt ließ sie nicht los. 2006 dann fiel die Entscheidung, dass Uhrmacher keinen Meistertitel mehr brauchen, um sich selbstständig zu machen. Schwarz traute sich, ging nach Hamburg und gründete ihre kleine, aber feine Firma (zu erreichen unter Tel. 040/63 94 97 08).

Dass sie sich für Hausbesuche als Dienstleistung entschloss, ist ebenfalls in ihrer Vergangenheit begründet. "Ich will sehen, in welcher Umgebung die Uhr arbeitet", sagt Birgit Schwarz. So habe das auch ihre Mutter immer gemacht. Vor allem eine Großuhr, sagt die Expertin, "hat einen typischen, eigenen Gang. Einen Gang wie ein Mensch. Deshalb sollte sie der Uhrmacher stets selbst vor Ort wieder aufstellen."

Und weil Uhren reparieren ihre Herzensangelegenheit ist, geht Birgit Schwarz nun etwas in die Tiefe der Beschreibung: "Der Gang einer Uhr muss gleichmäßig sein: Tick, Tack, also abfallend. Ist er es nicht, dann hinkt die Uhr. Dann macht sie nur Tick-Taaack."

Dem Zuhörer erschließt sich die Problematik sofort. Dennoch legt Schwarz noch einmal nach: "Wenn der Kunde die Uhr selbst wieder aufhängt oder aufstellt, mag das gerade aussehen. Trotzdem kann das Uhrwerk selbst irgendwie in einer Schieflage sein. Und dann hinkt die Uhr." Manchen Kunden sei das egal. Aber natürlich kann eine Meisterin ihres Fachs das nicht akzeptieren. "Eine Uhr darf nicht hinken", sagt sie nachdrücklich. "Ich lasse nicht eher los, bis sie einen richtigen Gang hat."

Perfektionsstreben wie dieses kennt auch die Geschichte der Uhrmacherei. Edmund Becket Denison, der die Turmuhr des Parlamentsgebäudes in London konstruierte, ließ sie mehrere Jahre lang in der Werkstatt des Uhrmachers E.J. Dent "Probe laufen", ehe sie 1859 eingebaut wurde.

Manchmal ist die Reparatur einer Uhr für Birgit Schwarz auch ein emotionales Erlebnis. "Eine ältere Dame war ganz traurig, weil die Uhr ihres verstorbenen Mannes nicht mehr lief." Schwarz brachte das Erinnerungsstück wieder in Gleichklang, und der Kundin kamen die Tränen. "In solchen Momenten möchte ich mich daneben setzen und auch eine Runde weinen", sagt Schwarz. Das nennt man Dienstleistung mit Herzblut.

 

Quelle:

(Dieser Artikel erschien in der Zeitung
DIE WELT, Ausgabe 03.10.2010, geschrieben von Cord C. Troebst)

 

 

Uhrmacher - Hamburg für antike Uhren, Standuhr, Regulator, Pendule